Laut Sebastian Beck, dem Co-Autor des Debattenbuchs “Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung“ des Berufsverbandes Wohnen und Stadtentwicklung, gibt es “zwei Modi intermediärer Aktivität: die Vermittlung und die Koproduktion”. Als vermittelnde intermediäre könnten derzeit der Runde Tisch Liegenschaftspolitik und das Initiativenforum Stadtpolitik in Berlin betrachtet werden. Sie vermitteln zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung und sollen den Belangen der Zivilgesellschaft Podien und Diskussionsforen (Hearing und Runder Tisch) ermöglichen.
Diese Strukturen stellen einen ersten wichtigen Schritt dar, der weiter gesichert und ausgebaut werden muss, er reicht aber in Bezug auf die diversen und mannigfaltigen stadträumlichen Problemlagen längst nicht mehr aus. An intermediären Strukturen für eine aktiv-koproduktive Stadtentwicklung und für lösungsorientierte Verhandlungen von Problemfällen – wie es die umfangreiche Vertreibungen von Kulturorten und Räumen für die “Berliner Mischung” deutlich machen, – fehlt es derzeit noch in Berlin.
Als Beispiel für die Wirkungsweise bestehender intermediärer Strukturen für die Immobilienwirtschaft kann laut dem Berliner Diskussionspapier “Taskforce für bedrohte Räume und Schiedsstelle für Problemfälle in Stadtentwicklungsprozessen” die “Clearingstelle für Konfliktfälle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen herangezogen werden, die zur Beschleunigung von Vorhaben (…) im Interesse der in Berlin tätigen Immobilienwirtschaft agiert. (…) “Zudem organisiert sie bei kontroversen Bauvorhaben vermittelnde Gespräche, um Zielkonflikte zu lösen und Hindernisse auszuräumen.” (…) Den Vorhabenträgern der Immo- bilienwirtschaft steht somit ein strukturelles Instrument zur Verfügung, das für ihre Belange ansprechbar ist „um Projekte zu beschleunigen” und in den „Dialog mit den bau- und wohnungswirtschaftlichen Verbänden” zu treten”. Die Implementierung und Funktionalität vergleichbarer intermediärer Instrumente für betroffene Akteure aus der Zivilgesellschaft und Kulturproduktion steht derzeit noch in den Sternen. Die Notwendigkeit der aktiven Entwicklung solcher Strukturen muss umgehend angegangen werden, um soziale und kulturelle Akteure und Projekte effektiver zu schützen, sowie koproduktive Entwicklungsprozesse in Berlin maßgeblich zu stärken. In Bezug auf intermediäre Strukturen werden von verschiedenen kultur- und stadtpolitischen Initiativen daher derzeit drei zentrale Forderungen artikuliert:
A – Das Büro für Urbane Querschnittsaufgaben
Wie können intermediäre Strukturen aufgebaut, gesichert und gestärkt werden? – Damit beschäftigt sich die Initiative Urbane Praxis Berlin seit ihrer Gründung. Die krisenhafte Entwicklung von Stadt erfordert es, Expert*innen nicht nur über punktuelle Projektförderungen in Veränderungsprozesse einzubinden. Vielmehr sollen gemeinsam langfristige Strukturen geschaffen werden, um Stadt neu zu denken und aktuelle wie zukünftige Herausforderungen angehen zu können. Die 12 Standorte der Urbanen Praxis arbeiten derzeit als experimentelle und künstlerische Stadtraumprojekte an gemeinsam entwickelten Strategien und Zielen, die explizit ressortübergreifend funktionieren und damit komplexe Fragen vielschichtig angehen. Dringend benötigt wird nun der politische Wille, auf Landesebene dazu nachhaltige und unterstützende Strukturen aufzubauen. Für die langfristige Unterstützung Urbaner Praxis in Berlin benötigt es insbesondere ein aktives ressortübergreifendes Handeln, intermediäre Zusammenarbeit und passende Fördermöglichkeiten.
Auch während der kürzlich durchgeführten Werkstatt zum Büro für Urbane Querschnittsaufgaben (https://www.urbanepraxis.berlin/werkstatt-buro-fur-urbane-querschnittsaufgaben/) ist die Notwendigkeit, neue Figuren der Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft aufzubauen, durch Teilnehmende aus Praxis und Verwaltung vielseitig bestätigt worden:
1. Urbane Praxis muss ressortübergreifend aus den Bereichen Kultur, Soziales, Stadtentwicklung und Umwelt gemeinschaftlich fachlich unterstützt, gefördert und weiterentwickelt
werden.
2. Das Büro für urbane Querschnittsaufgaben soll eine intermediäre, ressortübergreifende Struktur zur Unterstützung einer disziplinübergreifenden, gemeinwohlorientierten Stadtproduktion werden. Es muss intermediär angesiedelt sein und ressortübergreifend finanziert werden. Das Büro treibt die Öffnung und Nutzung von Raum für kooperative, nichtkommerzielle und spartenübergreifende Stadtkultur und Stadtentwicklung voran und zettelt lebendige Strukturveränderungen an. Es unterstützt Verwaltung und kulturelle Stadtmacher*innen durch Vernetzung, Wissensweitergabe und -sicherung, Kommunikation, Repräsentation und Ansprechbarkeit, sichert existierende Orte und schafft Stadt/Raum-Reserven für kulturelle Teilhabe, Künste und Soziokultur.
(Ausführlichere Informationen hier: https://www.urbanepraxis.berlin/aktionsplan-urbane-praxis-2/)
3. Das Büro für Urbane Querschnittsaufgaben entwickelt öffentliche Informationsformate und kuratiert stadtweite Modellräume und -anlagen, die urbanen Herausforderungen und Lösungsansätzen in experimentellen, künstlerischen Settings Diskussionsraum bieten und Anschauung verleihen (Festivalcharakter, Monat der Möglichkeiten).
B – Taskforce für bedrohte Räume der Soziokultur und der Berliner Mischung
Die “Taskforce” muss umgehend für jene sozialen und kulturellen Projekte und Orte aufgebaut werden, zuständig sein und effektive Lösungen erarbeiten, die von akuter Verdrängung und/oder akutem Raumverlust bedroht sind. Wichtig ist hierbei nicht nur ein Fokus auf den Erhalt der sozio-kulturellen Räume und Projekte, sondern auch die aktive Einbeziehung und Beachtung der Bedürfnisse ihrer Bewohner*innen, Akteur*innen, Nutzer*innen und Mitarbeiter*innen und den künstlerischen und kulturellen Aktivitäten vor Ort. Die Einrichtung der „Taskforce“ verfolgt das Ziel, eine schnelle, effiziente, ressortübergreifende und lösungsorientierte Struktur für den Erhalt von soziokulturellen Räumen zu schaffen und hierfür Maßnahmen zu planen und umzusetzen, die umgehend nachhaltige Lösungen und Sicherungsmechanismen für die betreffenden Räume erarbeitet. Es braucht hierfür Lösungen, die sicherstellen, dass die Projekte und soziale sowie kulturelle Träger bleiben können oder dass sie einen neuen Ort zu vergleichbaren Konditionen mit langfristiger Perspektive bekommen.
C – Schiedsstelle für Problemfälle in Stadtentwicklungsprozessen
Die „Schiedsstelle“ soll laut der Volksinitiative “Bucht für Alle” als strukturelle Erweiterung der Taskforce entwickelt und spartenübergreifend implementiert werden. Sie soll aktiv werden, wenn Einsprüche von mehr als 5.000 Berliner*innen in Form eines „Bürger*innenvetos“ in Bezug auf stadtpolitische Entscheidun- gen des Senats oder der Bezirke vorgelegt werden. Durch diese Hürde soll zudem verhindert werden, dass es fortwährend Einsprüche wegen jeder noch so kleinen Entwicklung ohne einen breiten Rückhalt in der Stadtgesellschaft gibt. Allerdings soll zugleich ermöglicht werden, das Stadtbewohner*innen selbständig aktiv eine (Nach-)Verhandlung und effektive Beteiligung in und für größere Vorhaben wie bei Bebauungs- plänen o. Ähnl. einfordern können. In einem solchen Fall müssen unverzüglich Verhandlungen zwischen den Betroffenen und den zuständigen Stellen der Landesregierung, Senats- und Bezirksverwaltungen und den politischen Bezirksämtern aufgesetzt werden, um eine gemeinsame Einigung und Lösung zu erarbeiten.
Hierfür müssen die Inhalte und Möglichkeiten der Verhandlung transparent aufgearbeitet und öffentlich sichtbar gemacht und kommuniziert werden. Das Ziel der „Schiedsstelle“ ist dabei die Unterstützung und Organisation von effizienten, lösungsorientierten und nachhaltigen Strukturen für Bürgerbeteiligung, den Erhalt und die Sicherung von sozio-kulturellen Räumen, die Schaffung von Maßnahmen für eine umfassende Informationstransparenz sowie die Bereitstellung von Informations- und Mediationsgesprächen sowie Verhandlungen in akuten Problemsituationen durch Stadtentwicklungsprozesse.
Durch eine Implementierung einer nicht weisungsgebundenen Verhandlungsstelle für akute Problemfälle, die oftmals durch den Neubau, Verkauf oder die Umnutzung von Liegenschaften und neue stadtplanerische Vorhaben entstehen, soll das Ziel erreicht werden, die Zivilgesellschaft stärker in städtische Transformations- prozesse einzubeziehen. In diesem Sinne unterscheidet sich die Schiedsstelle auch von den von SenSW geplanten und zum Teil umgesetzten „Anlaufstellen für Bürger*innenbeteiligung“: Sie muss, ähnlich wie der Runde Tisch Liegenschaftspolitik oder das Initiativenforum Stadtpolitik eigenständig dem Ziel der sachorientierten und spartenübergreifenden Problemlösung verpflichtet sein und die bestehenden Instrumente strukturell erweitern.