Clemens Weise: Wie war das Treffen mit Staatssekretär Machulik?
Irene Pätzug: Eigentlich waren wir davon ausgegangen, dass der Stadtentwicklungssenator Gaebler am Tisch sitzen wird. Herr Machulik ist für Wohnen und Mieterschutz zuständig. Im Gespräch hat es sich aber herausgestellt, dass er genau die richtige Person war und er unglaublich motiviert ist. Ich würde sagen, es war ein großer Erfolg, diese Leute so optimistisch am Gespräch beteiligt zu sehen und deren Wohlwollen unserer Idee gegenüber formuliert zu hören. Mit anderen Worten, die Grundidee, das Gespräch zu suchen und alle an einen Tisch zu bringen, wird sehr unterstützt.
Clemens Weise: Wurde über bestimmte Instrumente oder Projekte konkret gesprochen? Gibt es bestimmte Dinge, die weiterverfolgt werden, z. B. ein Stadtentwicklungsplan Kultur oder eine Taskforce für bedrohte Räume?
Irene Pätzug: Diese ganz konkreten Formulierungen wurden bisher bewusst oder unbewusst ausgelassen. Uns ist in erster Linie vor allem wichtig, dass sich alle regelmäßig treffen, dass dieses Format zustande kommt.
Dariya Kryshen: Beim Runden Tisch ging es um das Thema Kooperation. Euer Anliegen ist auch, dass Zusammenarbeit vor allem ressortübergreifend funktionieren muss; also nicht nur beim Kultursenat, sondern auch mit SenStadt. Gab es dahingehend Erfolge?
Stefka Ammon: Ich glaube, es muss sich auf Seiten der Politik jemand den Hut aufsetzen und sagen: „Ich will jetzt alle Akteur:innen zusammen holen.“ Dabei muss sich diese Person die komplexe Frage stellen: Was für eine Stadt will Berlin sein? Und diese Frage impliziert, dass man nicht nur den Kultursenat braucht, sondern auch den Wirtschaftssenat sowie den Stadtentwicklungssenat – man braucht sie alle. Wie kann es denn sein, dass so viele Gruppen aus so vielen unterschiedlichen Sparten, wie wir jetzt feststellen, seit so langer Zeit immer das Gleiche fordern und die Bedingungen für diese Gruppen immer schlechter werden, die Räume ersatzlos verschwinden?
Clemens Weise: Das heißt, euch fehlt auch der politische Wille?
Stefka Ammon: Ja, Wille bedeutet hier, es gäbe diese Person, die das auf ihre Agenda nimmt. In Treptow-Köpenick sagt der Kulturstadtrat: „Warum stecken wir als Bezirksamt in dieser Situation von unterschiedlichen Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirk und was sind denn meine Möglichkeiten und Rahmenbedingungen?“ Mit ihm arbeiten wir gut zusammen. Aber es fehlt jemand auf Landesebene, der es angeht. Diese Visionslosigkeit dort macht mich hilflos.
Clemens Weise: Was waren konkrete Forderungen, die beim Workshop erarbeitet wurden?
Stefka Ammon: Es gibt eine ganz konkrete Forderung nach Bestandsschutz: Es muss den Kulturkataster geben, der auch als Mietspiegel für Kulturproduktionsräume funktionieren kann, auch damit man Transparenz über Liegenschaften hat, die für kulturelle Nutzungen infrage kommen. Es muss Bekenntnisse dazu geben, dass bestehende Atelierräume in der Innenstadt und den Außenbezirken geschützt werden. Zu diesem Bestandsschutz gehört aber auch, dass die Immobilienwirtschaft mit in die Verantwortung genommen wird.
Neben dem Bestandsschutz ist der zweite Block die gesetzliche Verankerung von Kunst und Kultur als Daseinsvorsorge sowie die Wirtschaftsförderung von Kunst und Kultur. Zusammengefasst ist das die Forderung nach einem Kulturfördergesetz, das bspw. Quoten zur Schaffung künstlerischer Produktions- und Präsentationsräume beinhaltet. Gewerbemieten müssen rechtlich verankert und gedeckelt werden. Das wiederum betrifft nicht mehr die Landespolitik, sondern richtet sich an den Bund und die Gesetzgebung dort.
Der nächste Punkt ist mehr Hilfe zur Selbsthilfe. Man braucht Ansprechpartner:innen in Behörden für Mietrecht. Leute wollen selber aktiv werden! Die Künstlerinnen aller Sparten sind bereit und willens und voller Lust, selbst Projekte zu starten. Aber dafür brauchen sie Unterstützung. Es gibt derzeit stark personengebundene Expertise und Vernetzung. Aber es steht und fällt mit den entsprechenden Einzelpersonen. Wenn sie nicht mehr da sind oder wenn sie vom Projekt absorbiert werden, sind diese Ressourcen nicht mehr greifbar.
Zudem fordern wir eine Art Notruf für bedrohte Gemeinschaften. Also, wenn tatsächlich eine Gemeinschaft akut in Not gerät, braucht es die Möglichkeit, dass Materialien oder Werke untergestellt werden und Leute an Projekten, die sie abgeben müssen, weiterarbeiten können.
Wir fordern auch, dass es bezirkliche Atelierbeauftragte geben soll, die die Kulturschaffenden, die Bezirksverwaltungen und die Landesbeauftragten unterstützen sollen. So können die Räder, die ineinander greifen müssen, auch greifen, weil es dadurch strukturelle Stellen und Menschen gibt, die genau diese Aufgabe haben, dafür zu sorgen.
Und wir brauchen auch Förderprogramme. Die Kulturförderung muss an die Höhe der Wirtschaftsförderung angeglichen werden. Auch die Vergabe von staatlichen Krediten als Förderung spielt hier eine Rolle. Und auch im Kleinen: gewerbliche Werkstätten fallen natürlich unter die Kulturproduktion, weil sich das gegenseitig bedingt. Ganz oft, weil wir im Prinzip auch Kleingewerbe sind als Kulturschaffende und noch gleichzeitig andere Gewerke für unsere Produktion brauchen, bzw. die von uns abhängig sind und die auch ihre Räume brauchen.