Konzeptverfahren als Instrument
Allen diesen gegen Spekulation gesicherten Projekten ist gemein, dass sie auf Grund errichtet sind, der von der Stadt günstig verkauft oder im Erbbaurecht vergeben wurde – und dass sie nur so entstehen konnten. Ein Bindeglied für die Grundstücksvergabe kann hier das Instrument Konzeptverfahren sein. Es handelt sich dabei um einen Wettbewerb um ein städtisches Grundstück (Bietverfahren), bei dem jedoch nicht der höchste gebotene Preis, sondern vor allem die Qualität des eingereichten Nutzungskonzepts entscheidend ist.[5]
Diese Art der Vergabe kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, selbstorganisiertes und gemeinwohlorientiertes Bauen und Wohnen im Neubau wie im Bestand zu fördern und dabei Qualitäten für das Quartier und die Stadt zu sichern. Die Kriterien der „Bewertungsmatrix“ sind in der Regel: Architektur, Nachhaltigkeit, Nutzungs- und Finanzierungskonzept, bezahlbares Wohnen und Integration von marginalisierten Gruppen sowie die Anbindung an die Nachbarschaft. Sie werden je nach Standort und Fokus unterschiedlich gewichtet. Indem die Jury genau aufschlüsselt, wie viele Punkte je Kriterium sie für ein Konzept gibt, macht sie die Vergabe transparent.
Wie auch andere Instrumente sind Konzeptverfahren natürlich keine Allheilmittel. Es kommt stark darauf an, wie sie ausgestaltet sind und unter welchen Rahmenbedingungen sie durchgeführt werden. Hier zeigen sich in Berlin aktuell einige Herausforderungen.
Situation in Berlin
Auch in Berlin gibt es einige Beispiele gelungener alternativer Umbau- und Neubauprojekte im gemeinwohlorientierten Bereich: ExRotaprint, Blumengroßmarkt, Spreefeld – inzwischen ein wenig in die Jahre gekommene Projekte. Mit der regelrechten Bodenpreisexplosion der letzten Jahre[6] stagniert dieses Segment jedoch, bei gleichzeitigem Absterben von bezahlbarem Wohnraum, von Clubs, Atelierhäusern und Räumen für soziale Nutzungen wie Kitas oder betreute Wohnformen. Für gemeinwohlorientierte Projekte sind die spekulativ überhöhten Marktpreise nicht bezahlbar, während das Umsteuern der Grundstückspolitik – nach der Ursünde des Ausverkaufs der 1990er- und 2000er-Jahre – vom Verkaufsstopp auf eine Versorgung mit Boden noch immer andauert. Die wenigen in den vergangenen 10 Jahren durchgeführten Konzeptverfahren (Schöneberger Linse und andere) haben eher aufgezeigt, vor welchen Herausforderungen Berlin hier steht.
Eine dieser Herausforderungen ist das Prozessdesign der Institution, die mit der Durchführung der Konzeptverfahren in Berlin betraut ist: die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Sie ist eine Gesellschaft des Landes Berlin, die der Finanzverwaltung unterstellt ist, vom Feuerwehr- bis zum Verwaltungsbüro alle Gebäude des Landes managt (instand hält, saniert, neu baut) und zudem die Grundstücke im Vermögen des Landes hütet. Bei all diesen Aufgaben scheinen Konzeptverfahren eher eine komplizierte Zusatzaufgabe mit geringer Priorität und rechtlichen Fallstricken darzustellen.[7] Resultat waren abschreckende, unendlich bürokratische Verfahren mit hohen Hürden für interessierte „Bietende“.
Demgegenüber stehen die Forderungen aus der Zivilgesellschaft: niedrigschwellige Verfahren, in denen auch „noch nicht“ professionelle Gruppen eine realistische Chance bekommen. Dass die Durchführung der Konzeptverfahren auch anders gelingen kann, zeigt das Beispiel Leipzig: die Konzeptverfahren kooperatives und bezahlbares Bauen und Wohnen, werden direkt von der Stadtverwaltung (Liegenschaftsamt) ausgeschrieben und durch das Netzwerk Leipziger Freiheit betreut, einem Verbund aus der Szene der selbstorganisierten Projekte.
Die angestrebte realistische Chance führt zu einem zweiten Punkt: der Menge und Größe der Grundstücke, die vergeben werden. Schon die Genossenschaften klagen, dass bislang fast nur kleine und komplizierte „Restgrundstücke“ in Konzeptverfahren gelangen – während sie am liebsten ganze Genossenschaftsquartiere bauen würden. Für die bis zu 5000 neu gebauten Wohnungen, die von Genossenschaften im Bündnis für Wohnungsneubau bis 2026 angepeilt wurden, sind die Grundstücke der Flaschenhals. Zum Vergleich: Um das Ziel zu erreichen, müssten Wohnungen in einer Größenordnung gebaut werden, die über 10 Mal der des Möckernkiez-Genossenschaftsquartiers an der Yorckstraße entspricht (471 Wohnungen, rund 43.000 m² Nutzfläche).[8]